Für's Badezimmer viel zu schade Lautsprecher-Boxen KEF XQ20
Der High-End-Händler unseres Vertrauens hat schon einiges mit meiner Frau und mir erlebt. Er wunderte sich daher nicht,
als wir bei ihm aufkreuzten und unseren Wunsch äußerten:
"Wir brauchen ein Paar Lautsprecher für unser Badezimmer." Fast nie, wenn wir zu ihm kommen, fragen wir nach einer bestimmten Marke. Wir
überlassen es ihm, uns Vorschläge für unsere heimische Hörsituation zu machen, die wir ihm ausführlich beschreiben.
Diese Form von Einkaufen hat einen wesentlichen Vorteil: man klebt nicht an Marken, nur weil man sich über die Jahre daran gewöhnt hat. Denn nicht
selten erweisen sich ja die Highlights von gestern als die Flops von heute. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Marken-Namen heutzutage neuen Besitzern in die Hände geraten, mit der Folge dass
die qualitativen Ansprüche von früher dann oft nicht mehr viel bedeuten.
So kann heute zum billigen asiatischen Massengut werden, was gestern noch edelste britische Manufakturware war.
Es war also mal wieder soweit - ein Paar (weitere) Lautsprecher wurde gebraucht. Tatsächlich hatte ich, der ich zugegebenermaßen leicht besessen bin vom Thema "Heimklang", entdeckt dass es in einem
Raum unseres Hauses noch akustischen Handlungsbedarf gab. Konkret handelte es sich dabei ... nun ja ... um's Badezimmer.
Bleiben Sie ruhig, lieber Fachleser. Ich weiß ja genau, was Sie jetzt denken: Ringsum klangreflektierende Keramikfliesen. Echoprovozierende Kunststoffmöbel. Die gläserne Duschkabine. Was für eine
Schnapsidee, dort einen halbwegs vernünftigen Sound hinkriegen zu wollen.
Doch unser Bad ist etwas anders - viel gemütlicher möbliert. Musik klingt ganz gut da drinnen (dicke Bademäntel und Handtücher an verschiedenen Haltern
sind übrigens perfekte Dämmfaktoren).
Unser 'persönlicher Highend-Betreuer' reagiert also keineswegs verwundert und sagt, was er immer sagt: "Geben Sie mir eine halbe Stunde - ich baue Ihnen mal was auf."
Als es soweit ist kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er hat doch tatsächlich einen kleinen, beinahe komplett verglasten Austellungsraum (der eigentlich nur für Besichtigungen da ist) kurz zum Demozimmer umfunktioniert. Sozusagen als Fliesen-Simulation.
Wie immer haben wir einen repräsentativen Querschnitt unserer CD-Sammlung dabei (Vinyl
kommt natürlich im Badezimmer nicht zum Einsatz) - von Klassik über Jazz bis Blues/Rock.
Die Versuchsanordnung ist aufgebaut - als akustisches Triebwerk dient der von uns sehr geschätze ARCAM "SOLO Mini". Für das Badezimmer-Sound-Projekt schlägt der "Soundberater" von Hifi-Kemper
Boxen aus dem Hause KEF vor, und zwar die XQ20.
Innerlich bin ich ehrlich gesagt etwas voreingenommen, denn die niedlichen KEF'chen sind von ihrer Größe her nicht ganz mein
Fall.
Ich habe von je her gewisse Vorurteile gegen kleine Boxengehäuse. Ach - warum bin ich nicht ehrlich?: meine Vorurteile richten sich generell gegen die sogenannte Sparte Regalboxen. Eine
Marotte von mir, ich weiß. Die niedlichen Dinger wirken (zumindest optisch) in unmittelbarer Nachbarschaft von monumentalen Standlautsprechern immer so
inkompetent.
Allerdings muss ich zugeben: das Design der kleinen KEF (Höhe 390 x Breite 231 x Tiefe 345 mm) gefällt mir auf Anhieb ausgesprochen gut. Auch weil die beim Thema Lautsprecherboxen immer etwas schwierige Gratwanderung zwischen physikalisch-akustischen
Vorgaben und modernen Designvorstellungen perfekt gemeistert wurde. Lautsprecher müssen ja konservativ klingen (Sound bleibt eben Sound) - dürften aber
ruhig cool aussehen, wenn es geht.
Bei KEF geht das. Und zwar so, dass es trotz des edlen Holzes doch irgendwie nach "Moderner Architektur" aussieht. Die XQ20 wirkt weder wie ein Oldtimer noch wie ein Ufo. Der britische
Traditions-Hersteller hat sich für ein platzsparendes, etwas simpel aussehendes Konstruktionsprinzip entschieden: Das 2-Koaxial-Schema. Das wirkt optisch nicht besonders beeindruckend, überzeugt
jedoch mit Können.
A propos britische Lautsprecher - hier scheiden sich ja bekanntlich die Geister echter sowie selbsternannter "Fachhörer":
Die theoretischen (oft nur nachgeplapperten) Vorurteile reichen von "britische Boxen klingen hart und
spröde" über "amerikanische Boxen tönen meist voluminöser und resonanzreicher" bis hin zum genauen Gegenteil. Tatsächlich ist das
meiste schlicht ein Ergebnis falscher Schlüsse, die aus regionalen Gegebenheiten entsprangen:
Viele US-Amerikaner leben in Holzhäusern, in denen wegen der üppigen Resonanz jeder Lautsprecher "fetter" klingt als etwa zwischen Ziegelwänden. Typisch englische Wohnverhältnisse mit
engen Zimmern gemauerter Reihenhäuser hingegen pressen
auch den Klang von an sich resonanzreichen Schallwandlern in eine Zwangsjacke aus unliebsamen Reflexionen. Der Raum hat eben beim Klang der Boxen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Zurück zum aktuellen Soundprojekt:
Wir beginnen mit dem Hören und versuchen dabei, akustisch jene typische Situation zu simulieren, in der diese Lautsprecher
vorwiegend arbeiten werden: morgens im Bad, gleich nach dem Aufstehen. Zähneputzen, duschen, den Schlaf abschütteln. Diese Abläufe werden bei uns von einer Musikauswahl begleitet, die wir extra
für den morgendlichen Badezimmereinsatz aus unserer CD-Sammlung selektiert haben. Das sind aufmunternde Klänge von Jazz, Pop und Klassik - von Manfred Krug über "Söhne Mannheims" und "Vaya Con
Dios" bis hin zu Vivaldi.
Doch was ist das? Die KEF XQ20 weigern sich, ihre Arbeit zwischen den hart-glatten Wandfliesen und Spiegelfronten zu verrichten.
Sie streiken. Leiden offenbar an einer Art Atemnot in dieser engen Echokammer.
Unser "Projekt Badezimmersound" erweist sich als Perlen vor die Säue. Nicht weil die KEFs schlecht sind - sie sind schlichtweg zu gut für diese Aufgabe. Also raus damit. Und rein mit einer
kleinen Kompaktanlage "YAMAHA MCR 140", die sich für diesen Job als perfekte Lösung erweist.
Die KEF XQ20 werden aber nicht "entlassen", sondern fallen infolge dessen "die Treppe rauf" in unserer Soundhierarchie. Sie
kommen im Meetingroom zum Einsatz, wo sie fortan auch den Mac's (deren Soundkarten sich übrigens als excellente Signalquellen erweisen) akustisch unter
die Arme greifen. Als Verstärker bleibt nach wie vor der ARCAM "Solo Mini" im Einsatz.
Jetzt, in diesem nahezu optimal dimensionierten Raum mit minimalsten Boden- und Deckenreflexionen, beweisen die Boxen deutlich
ihre Kompetenz. Meine Angst, hier mit dem bei Koaxial-Lautsprechern bekannten Problem der Intermodulation (hörbare Verzerrung hoher Basspegel)
konfrontiert zu werden, zerschlägt sich sofort.
Auch die bei herkömmlichen Koaxial-Lautsprechern oft störenden Resonanzen und Auslöschungen treten nicht auf. Der Hersteller hat die Formgebung der Membranen sowie die (um den Hochtöner herumleitende) Schallführung optimal gestaltet, wodurch sich der kombinierte Tiefmitteltöner gut mit dem Hochtöner verträgt. Die Konstruktion
lässt keine unliebsamen Resonanzverstärkungen aufkommen.
Wie also klingt es? Schlichtweg super. Genau so, wie ich es angesichts des (leicht
futuristischen) äußeren Erscheinungsbildes erstmal nicht erwartet habe: Klassisch. Detailreich. Klar. Überhaupt nicht synthetisch. Nicht zu fett und nicht zu dünn. Angenehm sanft.
Ich hätte den stylischen Winzlingen diese Kompetenz einfach nicht zugetraut. Gerade weil der Bass nicht so dominant daherkommt, gewinnt der Klang die nötige Natürlichkeit. (Überhaupt: was soll denn dieses ewige: "... hat es auch genügend Bässe?" Wir sind doch hier nicht beim Auto-Anlagen-Dröhnwettkampf)
Immer deutlicher zeigt sich: gerade die Ausgewogenheit des Klangs macht hier die Musik. Wir testen weiter mit den schon oben
genannten Aufnahmen und erweitern die Prüfung mit noch mehr gemischtem Programm.
Ob Sakralchor (G.F.Händel - Der Messias), Folk (Joan Baez), Blues (Ripoff Raskolnikov, Jürgen Kerth) oder Jazz-Stücke von Miles Davis, Barbara Dennerlein und Wynton Marsalis - alles klingt wie es soll. Solange man nicht den
Fehler macht, der mir passierte:
Beinahe unmittelbar nach dem Probehören im Meetingroom ließ ich im Wohnzimmer den Tag musikalisch ausklingen - mit meinen "Bowers & Wilkins" CM9.
Da war die Klassengesellschaft der Lautsprecher wieder inkraft. Irgendwie gemein.
Hintergrund-Photo: KEF